Als ich mit meiner Großtante überlegte, wie Clara Schlee (1856-1932) mit mir verwandt ist, kamen wir auf einen Verwandtschaftsgrad mit drei „Ur“: Im 19. Jahrhundert von Europa in die USA ausgewandert, hatte sich Clara Schlee in der New Jersey Women´s Suffrage Association einen Namen gemacht. Als ich das erste Mal von ihr hörte, war mir klar, dass ich mehr zu Claras Leben und Wirken erfahren und eine Geschichte über sie schreiben wollte. Gemeinsam mit der Wiener Comic-Zeichnerin Sibylle Vogel habe ich mich daher auf Claras Spuren und eine faszinierende Reise durch die Geschichte der US-Suffragetten-Bewegung begeben. Dabei ist eine Graphic Short Story entstanden, die unmittelbar vor den wegweisenden Wahlen jetzt im Herbst, als Auseinandersetzung mit den Wurzeln politischen Mitbestimmungsrechts auch eine ganz besondere Bedeutung hat.
Geschichte und ihre Vermittlung leben von Bildern. Außerdem faszinieren mich Graphic Novels. Ich habe mich daher sehr gefreut, dass Sibylle Vogel bereit war, dieses Try-Out mit mir zu wagen und einen Graphic Novel, oder besser gesagt, eine Graphic Short Story über einzelne Stationen und Episoden aus dem Leben von Suffragette Clara Schlee Laddey entstehen zu lassen. Am Anfang unserer Arbeit standen verschiedenste Recherchen, durch die wir zahlreiche historische Details erfuhren und entdeckten. Besonders beeindruckend war es auch ein Gefühl für jene Kraft zu bekommen, die Clara und ihre Mitstreiterinnen bei ihren Aktionen inspiriert haben könnte. So findet Sibylle: „Als freischaffende Künstlerin ist mir auch in unserer Zeit das Thema Frauenrechte sehr nahe. Rechte, die uns jetzt selbstverständlich erscheinen, wurden durch die lebenslange und opferreiche Arbeit dieser Aktivistinnen erkämpft. Beim Arbeiten am Comic merkte ich, dass mich nicht nur die Geschichte selber, sondern auch die Accessoires aus der Zeit, wie Hüte, Schirme oder Kleider interessierten und ich mit diesen das Comics-Panel wie ein Bühnenbild bestücken konnte. Das macht Geschichte lebendig.“
Bewegte Lebensgeschichte
In Stuttgart geboren, nahm Clara Schlee bereits mit 17 Jahren an Treffen des Stuttgarter Frauenclubs teil. 1875 heiratete sie Victor H. G. Laddey, ehe die Familie 1888 mit ihren drei Kindern Erich, John und Paula in die USA emigrierte und nach New Jersey kam. In den USA engagierte sich Clara in zahlreichen Verbänden und Vereinigungen und kämpfte für die Gleichberechtigung der Frau und das Frauenwahlrecht. Die Etablierung des Frauenwahlrechts wurde in den USA von Staat zu Staat unterschiedlich gehandhabt: So hatten etwa Frauen in Utah, Colorado, Idaho oder Wyoming bereits sehr früh, bereits im späten 19. Jahrhundert, das Recht zu wählen. In diesen ländlicheren Regionen wollte man damit neue Bewohnerinnen und Bewohner anlocken. In manch anderen Staaten, etwa in einzelnen Südstaaten der USA stand der Kampf ums (Frauen-)Wahlrecht sehr lange nicht auf der politischen Agenda. Anfang des 20. Jahrhunderts ging das Engagement für das (Frauen-)Wahlrecht immer auch Hand in Hand mit friedensaktivistischen Aktionen.

Glee Club & Rainy Day Bewegung
Neben ihrer politischen Aktivität war Clara Leiterin eines Glee-Clubs, einem a Cappella- Chor, vergleichbar mit den Berliner Comedian Harmonists. Das war für Frauen damals eher untypisch. Fasziniert hat mich auch Claras Unterstützung der Rainy Day Club-Bewegung: Diese setzte sich für „alltagstauglichere“ Kleidung für Frauen, insbesondere für kürzere Röcke ein. Der um ein paar Inches kürzere Rock sollte für Frauen Alltagsbewegung leichter oder gar möglich machen – Radfahren zum Beispiel. Nicht umsonst galt daher in der Rainy Day Club-Bewegung (und überhaupt) das Fahrrad als Symbol für (weibliche) Freiheit.
New Jersey Women´s Suffrage Association (NJWSA)
Von 1905 bis 1908 war Clara Vorsitzende des Civic Club in Arlington, ehe sie 1909 zur Präsidentin der New Jersey Women´s Suffrage Association (NJWSA) gewählt wurde. In dieser Zeit sammelte Clara bei vielen Reisen gemeinsam mit Kolleginnen US-weit 9.000 Unterschriften für die Ratifizierung des Wahlrechts für Frauen im US-Senat, ehe dieses ein Gesetz werden konnte. Das war erst 1920 geschafft. (In Europa übrigens teilweise noch später!)
1911 marschierte Clara Schlee bei der Eröffnung des Hauptquartiers der Plainfield Equal Suffrage League (PESL). Sie und ihre Mitstreiterinnen trugen Schirme mit Aufrufen und Appellen in Lila, Grün und Weiß, den Farben der britischen Suffragetten-Bewegung von Emmeline Pankhurst. 1912 nahm Clara an der Spitze der New Jersey Women´s Suffrage Delegation an der ersten Suffrage-Parade in New York City teil. 1913 war Clara Schlee eine der US-Delegierten bei der 7. Konferenz des 1904 in Berlin gegründeten Weltbunds für Frauenstimmrecht (englisch: International Woman Suffrage Alliance) in Budapest. Dort hielt u.a. auch der Wiener Literat Hermann Bahr eine Rede.
Clara Schlees Brief vom März 1916 an die spätere Friedensnobelpreisträgerin Jane Addams, in der sie gemeinsame Friedensaktionen gegen die Gräuel des 1. Weltkriegs anregt, war der Ausgangspunkt für unsere Short Story über Claras Leben.
Clara Schlee Laddey
Sibylle Vogel
Sibylle Vogel (Sib) lebt und arbeitet in Wien und beschäftigt sich mit der Kombination Bild und Text. Sie zeichnet regelmäßig für die Büchereien Wien und andere Institutionen, macht Cartoons, Comics, Illustrationen und Collagen und hat einige Kinderbücher veröffentlicht. Für ihre Arbeit hat sie mehrere Auszeichnungen erhalten, darunter den Illustrationspreis der Stadt Wien und den österreichischem Outstanding Artist Award für Kinder- und Jugendliteratur. Seit 2013 leitet sie zusammen mit Zeichnerkolleg:innen die KABINETT comic passage (Galerie und Comics-Kleinverlag) im MuseumsQuartier Wien und hat selber verschiedene KABINETThefte publiziert.
www.sibyllevogel.at
Instagram: https://www.instagram.com/sibylle_vogel/
Links:
https://documents.alexanderstreet.com/d/1010113754
https://digital.janeaddams.ramapo.edu/items/show/12240
und Wikipedia