Kaffeegeschichten einer Röstmaschine.

Mein Name ist Menado, Menado Superior. Von Beruf bin ich eine Trommelröstmaschine. Hergestellt wurde ich in der Maschinenfabrik Georg Wilhelm Barth, kurz G.W. Barth, in Ludwigsburg, das ist in Baden-Württemberg, in der Nähe von Stuttgart. In den besten Jahren war die G.W. Barth ein großes Werk. Gegründet in den 1880er-Jahren für die Herstellung patentierter Sicherheitsröster, wurden dort verschiedenste Röstmaschinen für Kaffee, Kakao, Malz, den Kaffeeersatz Zichorien, bis hin zu Getreide, Kornkaffee oder Erdnüsse gebaut. In die Kaffeerösterei Nussbaumer nach Gmunden kam ich im Mai 1956. Das ist mittlerweile 67 Jahren her. Ich wurde komplett und mit allem, was dazu gehört geliefert: Mit Trommel und Absperrplatte, mit Trichter und Drehschieber, mit Sieb und Aromaplatte, mit Gasgebläse und Röstexhaustor. Seither stehe ich am Platz beim Fenster. Neben mir mein bester Freund: Der Entsteiner-Turm. Dieser trennt sprichwörtlich die Spreu vom Weizen. Bei bei uns aber wohl eher frischgeröstete Bohnen von Steinen und sonstigem Kleinkram, der bei der Ernte unentdeckt mit im Sack landet.
Doch der Reihe nach: Wenn sich bei uns in der Rösterei bunt bedruckte Jute-Säcken, gefüllt mit Arabica-Hochlandbohnen von Anbaugebieten aus der ganzen Welt, aus Brasilien, Kolumbien, Guatemala, Kenia, Honduras, Vietnam oder Peru in den raumhohen Stellagen stapeln, ist voller Einsatz gefragt. In Triest oder Hamburg vom Schiff gekommen, sind die Bohnen schon einige Zeit auf Reisen.
Ich liebe diese Betriebsamkeit. Und den Duft. Für die Röstung werden Kaffeebohnen nach Sorte oder in eigens komponierter Mischung in einen Sammeltrichter geschüttet. Dann geht´s los. Die jeweilige Röstdauer bestimmt die Kaffeeart. Espresso wird zum Beispiel länger geröstet, während Bohnen der Wiener Mischung als heller geröstete Bohnen ihr Aroma entfalten. Neun verschiedene Kaffeekreationen hat die Rösterei Nussbaumer im Angebot. Meine Trommel wird beheizt und die Bohnen rotieren mit Getöse im Trommelgehäuse. Bei aufsteigender Hitze wird 18 Minuten geröstet. Je nach Kaffeesorte erreicht die Temperatur zwischen 200 und 218 Grad Celsius. Danach wird eine Klappe geöffnet und der duftende Kaffee fällt in einen Rundbottich auf der Kühlseite. Dieser dreht sich und die frischgerösteten Bohnen werden auseinandergeschoben. Kalte Luft von unten verhindert, dass die Bohnen in ihrem Inneren weiterrösten und verbrennen. Letzte Etappe ist dann der Entsteiner-Turm. Nur geröstete Bohnen sind leicht genug und werden vom Luftsog angezogen. Alles andere bleibt in der Ausschussrinne liegen. Früher wurde händisch sortiert. Die gerösteten Bohnen sind nun fertig und werden wieder in die Jutesäcke gefüllt. Unverschlossen bleiben sie einige Tage stehen, ehe sie in die Portionssäckchen abgepackt werden. Bei Kaffee Nussbaumer wird das auch heute noch manuell gemacht. Der Lagerraum gleicht dann mit der fertigen Ware einer Schatzkammer: Großpackungen in glänzender Silberfolie für die Gastronomie stehen neben den kleineren Päckchen und Pakete für den Einzelhandel.
Heute ist kaum vorstellbar, was für ein Luxusgut Kaffee früher einmal war. Da wurde der Sonntagskaffee portionsweise, in Briefchen zu 2 oder 5 Deka im Laden gekauft. Quasi der Urgroßvater des Coffee to go. Bei Nussbaumer Kaffee röstete man anfangs, in den 1930er-Jahren im Geschäft am alten Gmundner Marktplatz. In den 1960er-Jahren übersiedelte die Rösterei dann an den heutigen Standort mit dem herrlichen Blick über den Traunsee.
Blättert man in den Röstbüchern, wo alle Kaffeemengen genau notiert sind, zeigt sich, dass die Röstmenge jährlich mehr wurde. Heute wandern 70 Tonnen Kaffee pro Jahr durch meine Rösttrommel!
Mittlerweile hat Marlene Drack, die Urenkelin des einstigen Besitzers den Röstbetrieb übernommen. Sie ist Österreichs jüngste Kaffee-Sommelière. Marlene ist mit dem Kaffeerösten groß geworden. Versteckspiele mit Freunden in der Rösterei oder wagemutige Balance-Figuren auf den aufgetürmten Kaffeesäcken … daran erinnert sie sich auch heute noch gerne. Etwas später hat sie dann den Genuss und die Faszination für das Aroma von röstfrischem Kaffee für sich entdeckt. Bei Reisen zu den Kaffeeplantagen konnte Marlene bereits einige der Bauern, die den Kaffee für die Rösterei in Gmunden herstellen, kennenlernen. Sie weiß also, woher der Kaffee kommt und auch, wie die Produzentinnen und Produzenten leben und arbeiten. Direkter Handel und nachhaltiger Anbau haben bei der Auswahl der Produzent*innen höchste Priorität. Gemeinsam mit anderen Röstereien und den Kaffeebäuerinnen und -bauern werden in Anbaugebieten, in Projektarbeit Strukturen geschaffen, die ihre Unabhängigkeit sichern. Stolz ist man etwa auf den Bau einer Schule in Lampocoy, in Guatemala.
Wenn ich heute zurückschaue, blicke ich auf ein vielfältiges Röstmaschinen-Leben zurück und das, was mich, alte Menado, nach all den Jahren noch immer begeistert und antreibt, ist die Faszination am Rösten und dieses beeindruckende Handwerk. Es ist eine Kunst, durch das Rösten Harmonie und Balance zwischen dem Körper, dem Aroma und der Säure einer Kaffeesorte herzustellen. Außerdem wird Kaffee auch heute noch so geröstet wie vor 50, 60 oder 70 Jahren. Natürlich gibt es Trends und Moden. Doch viele kommen und gehen. Klar sind neuere Maschinen am Markt. Doch der Röstvorgang an sich ist gleichgeblieben. Genauso wie der wundervolle Duft von frischem Kaffee oder die Freude über die perfekte Crema bei frischgebrühtem Espresso.
Links:
Bei Röst-Workshops gibt Marlene Drack Einblick in die faszinierende Welt des Kaffees.





